Bericht aus der Stadtverordnetenversammlung

Am vergangenen Donnerstag, den 7. April fand die zweite Sitzung der Stadtverordnetenversammlung dieses Jahres statt. Stadtverordnetenvorsteher Joachim Grußdorf begann die Sitzung mit einer Schweigeminute für die unzähligen Opfer des Ukraine-Krieges. Die Stadtverordnetenversammlung verabschiedete mit einer breiten Mehrheit eine Resolution, die diesen völkerrechtswidrigen militärischen Angriff Russlands verurteilt, Putin als den politisch Verantwortlichen auffordert die Gewalt unverzüglich und bedingungslos zu beenden und der Ukraine ihre Solidarität ausspricht. Außer mit den Stimmen der AfD bekräftigte die Stadtverordnetenversammlung ihre Entscheidung Mitglied des Bündnis Sicherer Häfen zu sein, betonte die Bereitschaft Gießens Geflüchtete aus der Ukraine aufzunehmen und zu versorgen und erklärte ihre Unterstützung den Geflüchteten aus der Ukraine, sowie allen, die sich mutig gegen das totalitäre Regimes Putins stellen.

Kastrations- und Kennzeichnungsgebot für Katzen wird geprüft

Als Koalition haben wir die Prüfung einer Katzenschutzverordnung eingebracht, welche die Kastration und Registrierung von Freigänger-Katzen vorschreibt. Diese Maßnahmen sollen die Verbreitung von freilebenden Katzen in Gießen eindämmen. Katzen sind als domestizierte Haustiere auf den Menschen angewiesen und können sich und ihre Nachkommen alleine nicht ausreichend versorgen. Freilebende Katzen sind daher oftmals unterernährt und leiden unter Krankheiten und Parasitenbefall. Durch die Ansteckungsgefahr stellen sie auch eine Gefahr für Katzen mit einem festen Zuhause dar. Freilebende Katzen sind meist Nachkommen von unkastrierten Freigänger-Katzen, die sich unkontrolliert fortgepflanzt haben oder entlaufene Haustiere. Ein wirksames Mittel, um Tierleid zu verhindern, ist daher die Kastration von allen Katzen, die nicht ausschließlich in der Wohnung gehalten werden.

Erweiterungsantrag der Firma Marburg & Bieber wird geprüft 

Kontrovers wurde der Einleitungsbeschluss für die Erweiterung der Firma Bieber & Marburg diskutiert. Anders als in vielen vergangenen Debatten impliziert, wurde hier nicht darüber entschieden, ob die Firma Marburg & Bieber ihr Firmengelände erweitern darf oder nicht. Beschlossen wurde vielmehr, dass ein Verfahren eingeleitet wird, welches unter anderem eine umfangreiche Prüfung der ökologischen Auswirkungen eines solchen Vorhabens beinhaltet. Dieses Verfahren ist ergebnisoffen und erwägt sämtliche Alternativen. Alle Fakten und Argumente müssen zusammengetragen und überprüft werden – erst dann kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden. Eine Erweiterung am Standort würde die Rodung von 4 Hektar Wald und somit einen nicht unerheblichen Eingriff in die Natur bedeuten. Trotzdem ist auch zu beachten, welche Auswirkungen eine Teil- oder komplette Verlagerung des Standortes außerhalb des Stadtgebietes zur Folge hätte. Zentral ist zudem, dass wir von Bieber & Marburg erwarten, dass sie bis zum nächsten Verfahrensschritt darlegen, wie sie bis 2035 gemeinsam mit der Stadt klimaneutral werden können. Wir möchten zunächst alle relevanten Daten und Fakten zusammentragen, um dann die beste Entscheidung im Sinne der ökologischen Gesamtbilanz treffen zu können.  

Lebensleistung von Ria Deeg wird im Museum gewürdigt

Auch die Ehrung Ria Deegs durch einen Gießener Kopf in der Innenstadt war Thema in der vergangenen Sitzungsrunde. Die Biographie Ria Deegs (geb. Baitz) ist so beeindruckend, wie vielschichtig. Sie ist 1933 als junge Frau aus einer Arbeiterfamilie in der Mühlstraße und überzeugte Kommunistin in den Widerstand gegen den Nationalsozialismus gegangen. Sie übernimmt zentrale Funktionen in der Widerstandsarbeit der KPD in Gießen: Sie ist beteiligt an der Organisation, besorgt Materialen, schreibt Flugblätter und verteilt diese in Gießen und Umgebung. All dies muss sie unter dem vollen Bewusstsein getan haben dafür jederzeit mit ihrem Leben bezahlen zu müssen. Sie wurde aufgrund ihrer Widerstandsarbeit verhaftet und verurteilt, verbrachte viele Wochen und Monate in völliger Isolation, ihr wurde Gewalt angedroht und angetan. Nach 1945 war sie in der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes aktiv, sie hat über den Nationalsozialismus aufgeklärt und sich für diese Stadt politisch engagiert.

Für uns ist klar: Wir möchten Ria Deeg (geb. Baitz), als mutiger Frau im Widerstand gegen den Nationalsozialismus, einen wichtigen Platz in der Erinnerung unserer Stadt einräumen. Doch ihre Person ist durchaus auch kritisch zu betrachten. Sie war eine der führenden Köpfe erst der KPD und nach deren Verbot der DKP. Jener DKP, die sich damals und auch bis heute, durch ein besonders unkritisches Verhältnis zur DDR und zur Sowjetunion auszeichnet, deren Verbrechen verharmlost, herunterspielt und leugnet. Aus der Biographie Ria Deegs heraus mag das sogar nachvollziehbar sein, aber sie dient mit dieser Haltung aus unserer Sicht nicht zur Heldinnenverehrung. Wir sind daher der Meinung, dass es dem Wirken Ria Deegs angemessener ist, ihre Lebensleistung und vor allem ihre Tätigkeit im Widerstand gegen den Nationalsozialismus in einem Museum zu würdigen, wo es in den historischen Kontext gestellt wird, wo Informationen gegeben werden und auch die kritischen Seiten beleuchtet werden können. Deshalb setzten wir uns dafür ein, dass Ria Deegs Lebensleistung in der Dauerausstellung des Oberhessischen Museums dargestellt und gewürdigt wird. Den Kopf Ria Deegs auf einen Sockel zu heben und kommentarlos zu präsentieren, halten wir nicht für den richtigen Weg.

Und vieles mehr!

Neben den oben genannten haben uns noch viele weitere Themen in dieser Sitzungsrunde beschäftigt. So wurde beispielsweise die Einrichtung von Luftfilteranlagen in den Gießener Schulen, die Prüfung der Einrichtung eines neuen Hundeauslaufplatzes, sowie der Einsatz für Maßnahmen gegen Geisterfahrten auf den Gießener Autobahnen beschlossen. Außerdem wurde eine neue Geschäftsordnung für die Stadtverordnetenversammlung und Entschädigungssatzung für die ehrenamtlich in Gießen Tätigen verabschiedet.