Neuer Stadtverordnetenvorsteher: Joachim Grußdorf

Zum ersten Mal in der Geschichte Gießens sind Bündnis 90/Die Grünen stärkste Partei in der Stadtverordnetenversammlung geworden und stellen damit den Stadtverordnetenvorsteher; zum ersten mal kommt dieser nicht aus den Reihen von SPD und CDU.

Es ist Joachim Grußdorf, langjähriger und erfahrener Grüner Parlamentarier. Hier seine Antrittsrede:

Achim Grußdorf
Achim Grußdorf

„Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, sehr geehrte Damen und Herren im Magistrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,

verehrte Gäste, meine Damen und Herren!

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, erlauben Sie mir bitte einige persönliche Worte.

Zuallererst möchte ich mich von ganzem Herzen für das große Vertrauen bedanken, das Sie mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Wahl zum Stadtverordnetenvorsteher entgegen gebracht haben.

Das ist ein bewegender Moment für mich.

Ich habe großen Respekt vor den Herausforderungen und Erwartungen, die auf mich im neuen Amt zukommen.

Deshalb habe ich mir fest vorgenommen, Ihrem Vertrauensvorschuss gerecht zu werden.

Ich möchte Dank sagen an Edith Nürnberger, die uns als Alterspräsidentin mit nachdenklichen, bewegenden und hoffnungsfrohen Worten auf die kommende Wahlperiode eingestimmt hat.

Liebe Edith,

ich wünsche Dir Gesundheit und behalte bitte Deinen Elan und Dein Engagement. Beides können wir hier im Parlament gut gebrauchen.

Ganz besonders möchte ich auch Frank Walter Schmidt danken.

Lieber Frank, Du hast Dir, wie wir alle, sicherlich nicht vorstellen können, dass ein Jahr nach Deiner Wahl, die Corona-Pandemie bisher unbekannte Herausforderungen an die Arbeit der Stadtverordnetenversammlung gestellt hat.

Du hast diese Herausforderungen vorbildlich angenommen, Dich tief und umfassend in die Thematik und die sich schnell ändernden Rechtsvorschriften und Verwaltungsanordnungen eingearbeitet.

Mit dem Ältestenrat hast Du immer wieder pandemieangemessene Lösungen für die parlamentarische Arbeit im Plenum und den Ausschüssen gefunden.

Deine umsichtige, kollegiale und konsensorientierte Amtsführung bleibt für mich Vorbild.

Und Du hast mich bei der Vorbereitung auf den heutigen Tag mit gutem Rat unterstützt. Auch dafür ganz herzlichen Dank.

Meine Damen und Herren,

heute bewegen mich auch die Erinnerungen an meine Lebensgeschichte, und welche Bedeutung darin Gießen hat.

Ich bin nicht in unserer Stadt auf die Welt gekommen.

Der Ursprung meiner gefühlsmäßigen Verwurzelung in Gießen hat jedoch auch ein Datum.

Es ist der 01. September 1961.

Mit neun Jahren kam ich an diesem Tag, kurz nach dem Mauerbau, als DDR-Flüchtling mit meiner alleinerziehenden Mutter im damaligen Notaufnahmelager im Meisenbornweg an.

Damit begann für mich ein neues Leben in Freiheit, das mir eine selbstbestimmte persönliche Entwicklung ermöglichte.

Ich kann sagen, in Gießen hat für mich ein neues Leben begonnen.

Vor diesem Hintergrund fühle ich mich auch den vielen Menschen aus unterschiedlichen Herkunftsländern verbunden, die hier in Gießen als Flüchtlinge und Fremde ankamen, und dann in unserer schönen, toleranten und vielfältigen Stadt ihre neue Heimat gefunden haben.

Ich glaube, dieser biografische Background hat mich, mein politisches Weltbild und mein Engagement geprägt

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich komme zurück zu den Aufgaben des Stadtverordnetenvorstehers mit ein paar Worten zu meinem Amtsverständnis.

An erster Stelle steht für mich: unparteiisch und gerecht sein, denn jede Stadtverordnete und jeder Stadtverordneter haben gleiche Rechte, und diese Rechte werde ich mit Nachdruck zu wahren wissen.

In diesem Sinne will ich auch Ansprechpartner für Sie alle sein, sowohl digital als auch durch Präsenztage im Büro des Stadtverordnetenvorstehers. Näheres werde ich Ihnen bald in einer Rundmail schreiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich bin glücklich darüber, dass ich, dass wir alle, auf die sehr kompetente Unterstützung unseres Stadtverordnetenbüros bauen können.

Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit mit unserem Kompetenzteam, mit Herrn Knoth, mit Frau Allamode und Frau Benz.

Bitte nutzen auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, den großen Sachverstand im Stadtverordnetenbüro.

Ich bin sicher, auch im Namen des ganzen Hauses zu sprechen, wenn ich an dieser Stelle Ihnen, liebe Andrea Allamode, liebe Simone Benz und lieber Dieter Knoth, Dank und Anerkennung für Ihre Arbeit ausspreche. Ohne Ihre hervorragende Geschäftsführung mit den vielfältigen Aufgabenfeldern wäre dieses Parlament nicht handlungsfähig.

Meine Damen und Herren!

Die Würde der Stadtverordnetenversammlung zu wahren, liegt mir besonders am Herzen.

Die Würde unseres Parlaments lebt, nach meiner festen Überzeugung, von den Werten des Grundgesetzes, von Menschenwürde, Toleranz, Respekt und Anstand.

Damit unvereinbar sind „Menschenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus“, wie der Deutsche Städtetag kürzlich feststellte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

23 Stadtverordnete ziehen – Stand heute – erstmals in die Stadtverordnetenversammlung ein. Das sind fast 40 Prozent aller Mitglieder dieses Hauses. Mit den Neuen wird unser Parlament deutlich jünger, und der Frauenanteil steigt von bisher ca. 34 auf jetzt 44 Prozent. Das ist sehr erfreulich. Aber, um Geschlechterparität zu erreichen, gibt es in Zukunft noch Luft nach oben, denn die Frauen stellen 50,41 Prozent der Gießener Bevölkerung. Leider bleibt die Gruppe der Gießener mit Migrationshintergrund weiterhin deutlich unterrepräsentiert. Trotzdem können wir festhalten, dass im neuen Stadtparlament unserer Stadtgesellschaft in ihrer Vielfalt und Verschiedenheit jetzt besser repräsentiert wird als jemals zuvor.

Ich freue mich außerordentlich darüber, dass sich die junge Generation in Gießen deutlich stärker als in der Vergangenheit kommunalpolitisch engagiert. Auch das lässt mich optimistisch in die Zukunft schauen.

Ein besonders herzliches Willkommen den neuen und jungen Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

in der jetzt beginnenden Wahlperiode stehen wir als politisch Verantwortliche vor riesigen Herausforderungen. In den kommenden fünf Jahren werden wegweisende Entscheidungen für unsere Stadt zu treffen sein: Ich nenne stichwortartig: Gießen 2035 Null auf den Weg bringen, die notwendige Verkehrswende, die energetische Gebäudesanierung, der Ausbau erneuerbarer Energien, Wohnungsbau, Innenstadtentwicklung, Kultur u.a.m. Hinzu kommt die Bewältigung der Corona-Folgen. Die damit verbundenen Finanzaufwendungen zu stemmen, wird eine Herkulesaufgabe sein.

Darüber und über vieles andere mehr werden wir streitig zu debattieren haben, um zu guten Entscheidungen für die Zukunft unserer Stadt zu kommen.

Aber ich füge hinzu: In einem demokratischen Gemeinwesen ist kein Thema es wert, über den Streit das Gemeinsame in Vergessenheit geraten zu lassen.

Das Gemeinsame ist die Werteordnung unserer liberalen Demokratie, sie muss unsere parlamentarische Kultur prägen. Das heißt, demokratischer Streit ist notwendig, aber es ist ein Streit nach Regeln und verbunden mit der Bereitschaft, die demokratischen Verfahren zu achten und die dann zustande gekommenen Mehrheitsentscheidungen zu akzeptieren.

In diesem Sinne, wünsche ich uns eine gedeihliche Zusammenarbeit mit guten Entscheidungen zum Wohle unserer gemeinsamen Stadt in all ihrer ganzen Vielfalt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“

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